Erste Hilfe – Die größten Irrtümer

Erste Hilfe – Die größten Irrtümer

Eins ist klar: Falsch ist nur die unterlassene Hilfeleistung.


Ein Motorrad liegt am Rande einer Landstraße, einige Meter entfernt ein regloser Körper. Der verunglückte Biker braucht schnell Hilfe, das ist ersichtlich. Doch im eigenen Kopf überschlagen sich die Fragen: Was ist als erstes zu tun?

Laut einer Forsa-Umfrage aus 2016 sind 53 Prozent der Befragten überzeugt, bei einem Unfall Erste Hilfe leisten zu können. Doch bei einem ebenso großen Anteil liegt der letzte Erste Hilfe Kurs bereits mehr als zehr Jahre zurück. Daher ist im Ernstfall die Sorge groß, etwas falsch zu machen.

“Dabei gibt es bei der Ersten Hilfe nur einen wirklich verhängnisvollen Fehler: nichts tun”, weiß Sarah Hahn von der Johanniter-Unfall-Hilfe. In unserer Ausbildung am 25.11.2023 für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Ummeln und des Fördervereins räumte sie mit den größten Irrtümern auf und beflügelte eigerostetes Wissen auf den neusten Stand.

Wer falsch hilft, macht sich strafbar!

Falsch! Denn wer nach bestem Wissen hilft, muss keine rechtlichen Konsequenzen befürchten.

Im Gegenteil: Vorsätzlich unterlassene Hilfeleistung kann später mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet werden.

“Auch wenn man nur den Rettungsdienst verständigt, hat man schon viel getan”, sagt Sarah. Besonders wenn der Verletzte nicht mehr atmet, können seine Überlebenschancen durch jede Hilfe nur verbessert werden. Ohne Rettungsmaßnahmen sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit dagegen minütlich.

Beim Unfall sofort Erste Hilfe leisten!

Handeln Sie grundsätzlich in der Reihenfolge des Merksatzes: Schützen-Melden-Helfen! “Selbstschutz hat oberste Priorität”, sagt auch Sarah.

Das Risiko, als Ersthelfer im laufenden Straßenverkehr verletzt zu werden, ist hoch. Erste Hilfe beginnt daher mit dem Absichern der Unfallstelle: Schalten Sie den Warnblinker an, drosseln Sie das Tempo und halten Sie vor der Unfallstelle. Ziehen Sie eine Warnweste an und steigen Sie vorsichtig aus ihrem Fahrzeug. Verschaffen Sie sich einen Überblick über das Unfallgeschehen und stellen Sie vor der Unfallstelle ein Warndreieck auf. Innerorts am besten 50 Meter, auf der Landstraße 100 Meter und auf der Autobahn mindestens 150m vor der Gefahrenstelle. Orientieren Sie sich dabei an den Örtlichkeiten: Liegt die Unfallstelle in einer Kurve oder hinter einer Kuppe, stelle Sie das Warndreieck davor auf.

Der zweite Schritt heißt: Rettungsdienst verständigen. Das Absetzen des Notrufs ist gesetzlich verpflichtend. Europaweit gilt die Notrufnummer 112!

Schnell werden Sie von der Leitstelle mit den bekannten 5 W-Fragen konfrontiert:

  • Wo ist es passiert?
  • Was ist geschehen?
  • Wie viele Personen sind betroffen?
  • Welche Verletzungen gibt es?
  • Wer meldet den Unfall?
  • Anschließend: Auf Rückfragen warten.

In einigen Fällen, wenn es die Situation zulässt, können Handlungsschritte eventuell auch parallel durchgeführt werden. Aber erst nach Absetzen des Notrufs sollte der Ersthelfer entsprechend seine Fähigkeiten weitere Maßnahmen ergreifen. Verletzte – wenn möglich (!) – hinter die Schutzplanke oder am Seitenrand der Fahrbahn in Sicherheit bringen. Bis zur Ankunft der Rettungskräfte Erste-Hilfe- oder Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen. Auch seelischer Beistand hilft: Unfallbeteiligte stehen oftmals unter Schock und sollten beobachtet und beruhigt werden.

Ohne Mund-zu-Mund-Beatmung keine Überlebenschance!

Falsch. Das Wichtigste bei einer Wiederbelebung ist die Herz-Druck-Massage. “Die Herzmassage ist die zentrale Maßnahme der Ersten Hilfe überhaupt, sie kann die Überlebenschancen von Verletzten deutlich erhöhen”, erklärt Sarah. Denn der Druck hält die Blutzirkulation und damit die Versorgung aller lebenswichtigen Organe aufrecht. Spätestens nach drei Minuten sollte jedoch die Beatmung erfolgen, um das Blut erneut mit genügend Sauerstoff anzureichern.

Auch bei dieser Hilfeleistung gilt: Keine Angst vor Fehlern. Eine etwas falsche Herz-Druck-Massage ist besser als keine. Die Verschränkung der Finger ist nicht relevant, als Druckpunkt reicht die ungefähre Mitte des Brustbeins, innere Organe können, selbst wenn Rippen brechen, nicht unbedingt verletzt werden. Wichtig ist nur, die Herzmassage ohne Unterbrechung durchzuführen – sich also im Zweifel mit anderen Helfern abzuwechseln – und regelmäßig etwa 100-120 mal pro Minute kräftig auf den Brustkorb zu drücken. Übrigens: Nur 11 Prozent der Befragten der Forsa-Studie konnten diese Zahl korrekt benennen.

Unfallopfer immer in die stabile Seitenlage bringen!

Auch falsch. Die stabile Seitenlage ist nur dann angebracht, wenn der Verletzte zwar bewusstlos ist, aber noch normal atmet. “Ringt der Verunglückte nach Luft oder hört auf zu atmen, sollte man ihn für die Wiederbelebung auf den Rücken legen”, weiß Sarah.

Für die Drehung in die Seitenlage kennt Sarah statt komplizierter Anleitungen eine einfache Faustregel: Der Kopf muss überstreckt sein und der Mund der tiefste Punkt des Körpers.

So bleiben die Atemwege frei und Blut oder Erbrochenes kann ablaufen. Auch in der Seitenlage darf man Verunglückte nicht allein liegen lassen, ihre Atmung muss ständig kontrolliert werden.

Motorradfahrern niemals den Helm abnehmen!

Stimmt nicht. Ist der verunglückte Fahrer nicht ansprechbar, muss der Helm abgenommen werden. “Dieser Mythos hält sich sehr hartnäckig”, sagt Sarah, “Dabei ist die Gefahr größer, im Helm an Erbrochenem zu ersticken, als durch das Abnehmen eine Lähmung zu erleiden.”. Auch eine Atemkontrolle zur Einleitung einer Herz-Druck-Massage gestaltet sich mit aufgesetztem Motorradhelm schwierig.

Am besten entfernt man den Helm natürlich zu zweit: Der eine Helfer hält den Kopf gerade, damit die Halswirbelsäule geschützt wird, der andere nimmt vorsichtig den Helm ab. Allein ist es schwieriger, aber dennoch richtig. Auch ohne Unterstützung sollte man so gut es geht darauf achten, dass der Kopf nicht zur Seite fällt.

Und noch einen Tipp hat die Erste-Hilfe-Expertin Sarah:

Um sich am Unfallort sicher zu fühlen und richtig helfen zu können, sollte man sein Wissen um lebensrettende Maßnahmen regelmäßig auffrischen – am besten alle zwei Jahre in einem Erste-Hilfe-Kurs.

Vielen Dank an den Förderverein der Ortfeuerwehr Ummeln für diesen Kurs und die Wissenserhaltung.

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